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Ort: Interview mit Oberbürgermeister Ralf Claus in Ingelheim
Lokal • 15. Januar 2023

Interview mit Oberbürgermeister Ralf Claus

Interview mit Oberbürgermeister Ralf Claus zur finanziellen Situation der Stadt Ingelheim am 12. 01. 2023

Herr Oberbürgermeister, die Stadt Ingelheim wird an Finanzkraft verlieren. Welche Ursachen können dafür geltend gemacht werden?

Fakt ist, dass die Gewerbesteuereinnahmen sinken, was mit globalen Besteuerungssystemen zu tun hat. Das hat mit Verschiebungen von Steuerzahlungen eines weltweit operierenden Unternehmens zu tun. Zum anderen trifft uns die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs. Das heißt für 2023 eine Belastung von 15 Millionen Euro und für das Jahr darauf sogar 25 Millionen Euro. Die große Unbekannte ist auch der Landkreis, der sich seine Finanzierung über die Kreisumlage der Gebietskörperschaften holen muss. Und für uns stellt sich daher die Frage, wie der Kreis, seine steigenden finanziellen Belastungen kompensieren wird. Wenn die Kreisumlage steigt, bedeutet das für uns weitere Einschränkungen. Das alles ist ein Gesamtpot an negativen Einflüssen.

Wann wird der städtische Haushalt nun verabschiedet werden? Wird er ausgeglichen sein?

Der Haushalt wird am kommenden Montag, den 16. Januar verabschiedet, so wie er ursprünglich einmal angedacht war. Formal wird er ausgeglichen sein, aber nur weil wir Mittel aus der Rücklage entnehmen. Dies ist mit der ADD abgestimmt. Wir werden nach und nach die Rücklagen aufbrauchen und gehen nicht gleich an eine Steuererhöhung ran, wohlwissend dass irgendwann die Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer anpassen werden müssen.

Wie hoch sind die Rücklagen der Stadt? Und wie viel muss jetzt aus der Rücklage entnommen werden, damit der Haushalt ausgeglichen werden kann?

Die Rücklagen belaufen sich auf 280 Millionen Euro. Zum Haushaltsausgleich müssen wir jetzt 100 Millionen aus der Rücklage entnehmen. Das ist sehr viel.

Wie gehen Stadtrat und Verwaltung mit der Situation um?

Wir haben uns entschlossen, eine sogenannte Haushaltskonsolidierungskommission zu bilden, an der die Fraktionen beteiligt sind. Damit wollen wir der Situation entgegensteuern. Dennoch haben wir uns entschlossen, den Haushalt jetzt zu verabschieden, damit wir in den Punkten, in denen wir vorankommen wollen, auch handlungsfähig sind. Bestimmte Dinge wollen wir dem Haushaltskonsolidierungsverfahren unterwerfen, andere Dinge müssen umgesetzt werden. Es geht auch darum Priorisierungen zu treffen und eventuell zu strecken und zu schieben.

Wo sind denn die hohen Reserven der Stadt angelegt?

Sie sind extrem aufgeteilt bei acht Bankenpartnern in verschiedenen Anlageklassen. Wir folgen damit unserer Anlagerichtlinie.

Wie hoch ist der Anteil der sogenannten „freiwilligen Leistungen“ gemessen am Gesamthaushalt?

Dies ist nicht ganz einfach zu beantworten, da es „Grauzonen“ gibt. Ich schätze etwa 5 – 7 %. Mehr als 10% auf keinen Fall.

Werden auf die Bürgerinnen und Bürger der Stadt höhere Belastungen zukommen?

Aus der heutigen Sicht muss man sehr wohl damit rechnen, dass wir den Hebesatz für Grund- und Gewerbesteuer erhöhen müssen. Wir haben über 14 Jahren den Hebesatz von 80 bei der Grundsteuer B – Schlusslicht in der Bundesrepublik Deutschland – wir haben über viele Jahre deutlich entlastet. Wir werden dann mit Sicherheit noch deutlich unter dem Niveau liegen, was in Rheinland-Pfalz die Normalität ist. Auch die sonstigen Einnahmen müssen auf den Prüfstand z.B. die Ausleihgebühren bei der Mediathek und vieles andere mehr. Alle Dinge müssen auf den Tisch und dann muss man Prioritäten setzen. Es darf keine Tabus geben. Ausgenommen davon sind Bereiche wie Schulen, Kitas, Bildung – da sind wir uns auch alle einig. Auch bei Investitionen, die wir in der Vergangenheit getätigt haben, werden Folgekosten auf uns zu kommen. Ich denke dabei an die kING, das WBZ oder auch das „Alte Rathaus“ in Nieder-Ingelheim. Der technische Anteil an den Folgekosten ist gigantisch. Wir haben 21 Kitas in städtischer Trägerschaft- das ist ein großer Kostenfaktor. Wir haben über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas.

Was wünschen Sie sich für Ingelheim in 5 – 10 Jahren?

Oh je … in fünf Jahren bin ich in Rente. Ich hoffe natürlich, dass wir das Niveau halten können, insbesondere im Bereich Kultur und Bildung. Ein zentrales Thema, das uns beschäftigen wird, ist die Schaffung von Wohnraum, insbesondere von bezahlbarem Wohnraum. Wir haben eine hohe Einpendlerquote und eine älter werdende Gesellschaft. Angesichts der wachsenden Bedeutung von „work-life-balance“ wollen viele am Arbeitsplatz auch wohnen. Dies gilt auch für Ältere, die den städtischen Raum priorisieren.

Herr Oberbürgermeister, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Helga Lerch.

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