Jüdische Friedhöfe in Ingelheim
Viele Menschen, die in Ingelheim leben, sind erstaunt zu erfahren, dass es hier vier jüdische Friedhöfe gibt. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da die Friedhöfe – bis auf wenige Tage im Jahr – verschlossen sind. Doch wer sich auf die Suche macht, kann diese Friedhöfe finden und ihre Besonderheiten kennenlernen.
Anders als in der christlichen Bestattungskultur, gilt im Judentum die ewige Totenruhe. Sie ist unantastbar und führt dazu, dass Gräber über viele Jahrhunderte erhalten bleiben. Auf kommunalen christlichen Friedhöfen gilt eine in der Friedhofssatzung festgelegte Ruhefrist, nach deren Ablauf Gräber geräumt werden müssen. Auch Blumenschmuck ist in der jüdischen Tradition nicht üblich, stattdessen werden kleine Steine auf die Grabplatten oder Grabsteine gelegt. Das Überwachsen mit Gräsern oder Efeu wird gerne in Kauf genommen. Nach dem Besuch des Friedhofs wäscht man sich die Hände, auch dies geschieht nach einem streng vorgesehenen Ritual an dessen Ende die Hände nicht abgetrocknet werden dürfen.
Wer als Mann einen jüdischen Friedhof besucht – und dies gilt auch für nichtjüdische Männer – wird gebeten aus Achtung vor den jüdischen Bräuchen – seinen Kopf zu bedecken. Dies kann man zum Beispiel erfahren, wenn man einen Besuch auf dem größten deutschen jüdischen Friedhof in Worms macht. Die Aufsichtspersonen verteilen eine Kippa an die Männer und weisen auf ein angemessenes Verhalten hin. Die jüdischen Gräber sind nach Osten ausgerichtet – in Richtung Jerusalem. Gemeinschaftsgräber gibt es nicht, Eheleute können nebeneinander bestattet werden und dürfen auch einen gemeinsamen Grabstein erhalten. Prinzipiell ist nur eine Erdbestattung erlaubt, im Glauben an die Auferstehung.
Einer der vier jüdischen Friedhöfe liegt „Im Saal“ in Nieder-Ingelheim und grenzt an die Aula Regia. Die 25 Grabsteine und Fragmente wurden zur Zeit des Nationalsozialismus zum Friedhof in der Hugo-Loersch-Straße gebracht, im Jahre 2002 wurden sie wieder an der ursprünglichen Stelle aufgestellt. Von einer massiven Steinmauer umgeben ist der Judenfriedhof in der Hugo-Loersch-Straße. Dort findet man etwa 170 Grabsteine. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahre 1836, der jüngste von 1938. Da dort längere Zeit keine Grünschnittarbeiten vorgenommen worden waren, fand man bis vor wenigen Tagen Gräser und Wildblumen. Jetzt wurden Mäh- und Grünschnittarbeiten durchgeführt.
Ein recht neuer jüdischer Friedhof stammt aus dem Jahre 1932 und befindet sich hinter einer Hecke mit Tor auf dem kommunalen Friedhof in der Rotweinstraße. Hier findet man 13 Grabsteine aus der Zeit von1932 bis 1941. Auch in der Gemarkung Groß-Winternheim gibt es noch einen jüdischen Friedhof. 43 Grabsteine sind noch erhalten.