Ein Fingerring auf Reisen: Leihgabe der Forschungsstelle bereichert die Landesausstellung THE Hidden
Am 13. September eröffnete in Stuttgart die große Landesausstellung „THE hidden LÄND – Wir im ersten Jahrtausend“. Unter den Exponaten befindet sich auch ein seltenes Fundstück aus Ingelheim.
Die Landesausstellung „THE Hidden LÄND“ vereint und präsentiert rund 1500 Fundobjekte überwiegend aus Baden-Württemberg, aber auch angrenzenden Regionen und Ländern. Die Artefakte stammen hauptsächlich aus den Jahrhunderten nach dem Untergang des römischen Reiches, also dem frühen Mittelalter – eine Epoche, die lange als „dunkles Zeitalter“ galt. Ausgrabungen und Entdeckungen der letzten Jahrzehnte zeichnen jedoch inzwischen ein weit weniger düsteres Bild einer Zeit, die von Um- und Aufbrüchen gekennzeichnet war. In dieses Bild passt einer der bedeutendsten Funde vom Reihengräberfeld der Ingelheimer Rotweinstraße: Ein silberner Fingerring mit einem schon damals sehr alten Schmuckstein.
Der Ring hat seit seiner Entdeckung im Mai 2015 immer wieder die Phantasie der Forschenden angeregt. Was ihn so besonders macht, ist der eingesetzte Stein: Dabei handelt es sich um einen blauen Achat, in den ein Gänsebraten und ein Tranchiermesser mit großer Kunstfertigkeit eingraviert wurden. Das geschah allerdings lange bevor der eigentliche Ring hergestellt wurde, denn die Gemme (gemma sculptata, Schmuckstein mit Gravur) war schon zu dem Zeitpunkt, als ein merowingischer Goldschmied sie wiederverwendete, buchstäblich antik: Machart und Motiv datieren den Stein in die frühe bis mittlere römische Kaiserzeit (ca. 1.-3. Jahrhundert).
Die Bestattung mit dem Fingerring war wie viele andere im Reihengräberfeld III an der Rotweinstraße beraubt und stark gestört. Außer dem Ring und einigen Knochen enthielt sie nur noch einen Kamm und einige Gefäßscherben. Anhand eines anthropologischen Gutachtens konnte es aber immerhin einer Frau in den Sechziger Jahren zugewiesen werden. Zu ihren Lebzeiten hat sie vermutlich eine herausgehobene Stellung innerhalb der Bevölkerung Ingelheims im 7. Jahrhundert eingenommen. Von einer adeligen Dame kann dennoch nicht gesprochen werden, weil sich Adel in einem rechtlichen Sinne erst in dieser Zeit herausbildete. Eine Funktion als Ehering kann ebenfalls ausgeschlossen werden, denn dieser Brauch entstand später.
Auch wenn viele Fragen also offenbleiben, steht der Gemmenring mit dem Gänsebraten stellvertretend für eine Welt im Wandel, die auch in Ingelheim ihre Spuren hinterlassen hat. Wer etwas tiefer in diese spannende Epoche eintauchen möchte, hat dazu noch bis zum 26. Januar 2025 Gelegenheit. Dann endet die Große Landesausstellung „THE Hidden LÄND“ in Stuttgart und der Ring kehrt zurück in seine angestammte Vitrine im Museum bei der Kaiserpfalz.
Die Forschungsstelle Kaiserpfalz ist bei Facebook: https://www.facebook.com/kaiserpfalz.ingelheim
Ingelheim am Rhein, den 19. September 2024
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