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Kultur • 6. Oktober 2023

Traumkonzert im Liegen - Wellness für Seele und Körper

- ein Selbstversuch –

Als ich am 5. Oktober kurz vor 18.00 Uhr die kING Kultur- und Kongresshalle in Ingelheim betrete, bin ich vor allem neugierig, auf das was mich erwartet. Ich lese auf meiner Eintrittskarte, dass ich Liegeplatz 3 habe. In der großen Halle, in der sich normalerweise mehrere hundert Gäste versammeln, sehe ich ca. 120 orangefarbene Matten auf dem Boden. In Reihen geordnet, mit einem Kopfkeil, einer schick zusammengerollten Decke – ebenfalls in orange – und zwei Bonbons zur Begrüßung. Auf einer Vliesdecke, die auf jeder Matte vorzufinden ist, finde ich auch einen großen Zettel, der meinen Liegeplatz 3 ausweist und das Programm des Abends.

Ich schaue mich in der Halle um und stelle fest, dass die Veranstaltung ausverkauft ist. Junge und ältere Frauen haben es sich auf den Matten bequem gemacht, einige befinden sich schon im kuscheligen Ruhemodus. Männer sehe ich nur vereinzelt, ich schätze 10% der Besucher sind männlich.

Um 18.00 Uhr betreten die Musikerinnen und Musiker des Kurpfälzischen Kammerorchesters unter Leitung von Marie-Denise Heinen die Bühne. Das Streichorchester blickt auf eine lange Geschichte zurück und wurde bereits 1952 gegründet. Es ist ein Vollzeitorchester mit 14 festangestellten Musikerinnen und Musikern. Doch bevor es los geht, erfahren wir, dass die Musik einem festen Schema folgen wird. Ein emotionaler Beginn, der nach 30 Minuten zu einem absoluten Ruhepunkt führen wird, um dann wieder langsam musikalisch bewegter zu werden. Die Auszeit kann beginnen, das Traumkonzert im Liegen startet.

Das Licht in der großen Halle ist abgedunkelt, nur hinter dem Orchester sind florale Muster in zartem orange erkennbar. Ich schließe meine Augen und liege unbeweglich und entspannt auf einer angenehmen Unterlage. Ich lausche der Musik – kein störender Laut unterbricht das Musikvergnügen. Meine Lippen liegen locker, ich habe das Gefühl, dass sich allmählich mein Blutdruck senkt und der Körper in den Boden sinkt. Fast schwerelos entspanne ich mich total. Gedanken kommen – ich lasse sie gehen und folge wieder der Musik, was zunehmend besser gelingt. So muss es im Himmel sein – geht mir durch den Kopf – heißt es nicht – ein Himmel voller Geigen? Und ein neuer Gedanke macht sich breit – man könnte fast meinen, das Streichkonzert hat mit „streicheln“ zu tun. Ich lasse mich fallen und stelle fest, dass tatsächlich nach 30 Minuten der absolute Ruhepol erreicht ist. Von da an, hoffe ich, dass das Erlebnis noch nicht so schnell vorbei ist. Doch das Ende kommt schneller als erwartet, die Musik wird lebendiger und ich ahne, dass bald der Schlussgong, der uns am Anfang angekündigt wurde, kommen wird. Da ich Bewegungslosigkeit von Yoga Nidra kenne, bewege ich jetzt langsam Hände und Füße, Arme und Beine um dann die Augen zu öffnen. Das Hier und Jetzt wird lebendig und lang anhaltender Applaus belohnt das außergewöhnliche Konzerterlebnis. Zum Abschluss spendiert das Orchester noch einen lebendigen Aufwacher, damit auch wirklich alle sich wieder in der Wirklichkeit einfinden.

Ich frage meine Liegenachbarin, wie sie das Erlebnis für sich einordnet. „Ich konnte mich sehr gut darauf einlassen, wäre aber fast eingeschlafen. Ich würde jederzeit wiederkommen, zu Hause kann man zwar auch eine CD mit Entspannungsmusik einlegen, aber da gibt es zu viele Störungen.“ Am Ausgang erfahre ich, dass es eine einstündige Pause geben wird, in der das Vlies und die Decken ausgetauscht werden. Hygiene wird groß geschrieben. Und um 20.00 Uhr dürfen sich neue Besucher auf ein einmaliges Erlebnis für Seele und Körper freuen.

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