Goethes Jagd auf den roten Eilfer
Die stürmischen Zeiten der Herrschaft Napoleons waren endlich vorbei, als sich Johann Wolfgang von Goethe 1814 entschloss, mal wieder seine Heimat zu besuchen. Er reiste mit der Kutsche nach Frankfurt und anschließend zu einer Badekur nach Wiesbaden. Von dort aus brach er zu einer ausgiebigen Tour durch den Rheingau auf, den er bei einer Schiffsreise 1772 nur vom Rhein aus gesehen hatte.
Nach dem Ende der französischen Zeit wurde das Fest des hl. Rochus in Bingen in jenem Jahr mit besonderer Begeisterung gefeiert: 24 Jahre lang hatte es kein Rochusfest mehr gegeben! Goethe wollte dies offenbar nicht versäumen und ließ sich von Rüdesheim aus übersetzen. In der Schrift „Im Rheingau Herbsttage“ berichtete er später ausführlich von seinen Erlebnissen, wobei ihn insbesondere der Weinkonsum beeindruckt zu haben scheint: „Muntere Kinder tranken Wein wie die Alten“, wunderte sich Goethe. „Niemand schämt sich der Weineslust, sie rühmen sich einigermaßen des Trinkens. Hübsche Frauen gestehen, dass ihre Kinder mit der Mutterbrust zugleich Wein genießen.“
An den „geschirmten, langen Tischen“ auf dem Rochusberg kam die Rede auch auf Ingelheim. Goethe wollte den Ort auch wegen der berühmten Ruinen Karls des Großen gerne besichtigen. Das Hauptthema war jedoch der Wein, und so wurde Goethe auch auf den Ober-Ingelheimer Rotwein aufmerksam: „Hier ist denn besonders der sehr beliebte Aßmannshäuser Rote vielen Anfechtungen unterworfen. Einen Weinbergsbesitzer von Oberingelheim hört' ich behaupten: der ihrige gebe jenem wenig nach. Der Eilfer solle köstlich gewesen sein, davon sich jedoch kein Beweis führen lasse, weil er schon ausgetrunken sei.“
Der „Eilfer“, damit war zu Zeiten Goethes der Jahrgang von 1811 gemeint, ein Tropfen von offensichtlich herausragender Qualität. In vielen Schriften wird der Jahrgang hoch gelobt, ganz gleich, aus welchem Anbaugebiet er kam. Ob Goethe selbst das Glück hatte, eine Flasche „Eilfer“ zu ergattern, ist nicht bekannt. Wir wissen aber, dass er am 4. September 1814 Nieder-Ingelheim seine Aufwartung machte. Von der Kaiserpfalz scheint er ein wenig enttäuscht gewesen zu sein, wie man zwischen den Zeilen lesen kann: „Nieder-Ingelheim, (…) an einer sanften Anhöhe gelegen, gehört zu dem Distrikt, der sonst des heiligen Römischen Reichs Tal genannt wurde. Carl des Großen Palast fanden wir halb zerstört, zerstückelt, in kleine Besitzungen vertheilt, den Bezirk desselben kann man noch an den hohen, vielleicht spätern Mauern erkennen.“
Am folgenden Tag reiste Goethe in der Kutsche über Kempten „auf die treffliche neue Chaussee“ – gemeint ist die von den Franzosen gebaute Straße – nach Ober-Ingelheim. Nach einer Besichtigung der Burgkirche suchten er und seine Begleiter ein Wirtshaus auf. Dort erzählte ein alter Wirt „ungeachtet seines kurzen Athems“ so manche Geschichte: „Die beiden Ingelheime gehörten zu einem Landesstrich, den man die acht Ortschaften nannte, welche seit uralten Zeiten große Privilegien genossen. Die Abgaben waren gering, bei schöner Fruchtbarkeit. Unter französischer Botmäßigkeit hatte man große Lasten zu tragen.“
Auch hier verlangte Goethe nach einem roten „Eilfer“, den man auf dem Rochusfest so gelobt hatte – und wieder hatte er Pech: Tatsächlich war der vorzügliche Tropfen bereits ausgetrunken. Doch der berühmte deutsche Dichter ließ sich davon nicht erschüttern, später notierte er lapidar: "Wir ließen uns daher den weißen genannten Jahres wohl schmecken."
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